Das Haus zur Goldenen Waage – Wie digitale Pläne Baukunst fördern
VON EINSZUEINS, ANGELA SABO
Es gibt Momente, in denen selbst eingefleischte Architekten und Ingenieure ins Schwärmen kommen. Mehr als 70 Jahre nach seiner Zerstörung ensteht das Haus zur Goldenen Waage in der Frankfurter Altstadt wieder neu. Viele Details werden durch Zimmerer, Bildhauer und Steinmetzen aufwendig rekonstruiert. Auch digitale Pläne spielen dabei eine Rolle.
Viel Phantasie ist nötig, um sich den Detailreichtum der Stuckdecke vorzustellen, die einst den grossen Saal der Golden Waage schmückte. Der Erbauer des Hauses, der wohlhabende Farben-, Gewürzhändler und Zuckerbäcker Abraham van Hamel und seine Frau Anna van Litt liessen sich bei der Gestaltung der prachtvollen Decke unter anderem von den biblischen Geschichten rund um seinen Namensvetter Abraham inspirieren. Heute ist von den wertvollen Ornamenten nichts mehr übrig. 1944 wurde das Fachwerkhaus bei einem Bombenangriff der Alliierten fast vollständig zerstört.
Zeitzeugen, die das farbige Original von 1624 beschreiben könnten, gibt es nicht mehr. Nur ein Eckbalken des Gebäudes blieb über die Jahre erhalten. Lediglich wenige, teils verschwommene Schwarzweiss-Fotos und ein alter Stich aus dem 19. Jahrhundert dienten einszueins als Vorlage, als für die Rekonstruktion eine digitale Planvorlage der Stuckdecke her musste. Eine grosse Herausforderung für Architekten und Ausführende. Zwar sollten nur die Konturen dargestellt werden, doch die Decke besteht aus zahlreichen frei geschwungenen Linien inklusive Schatten und Schraffuren für die räumliche Darstellung – eine rein künstlerische Arbeit, natürlich ohne Massangaben.
Deshalb wurden zunächst nur kleinere Elemente in CAD umgesetzt, die Grundstruktur der Decke. Die grösste Schwierigkeit bestand darin, zwischen Konturen und Schraffuren genau zu differenzieren. Welche Linien müssen gezeichnet werden und wie detailliert? Eine rein computergestütze Umsetzung kann das nicht leisten. Wie bei einszueins Standard, kamen Architektenwissen und präzise Handarbeit zum Einsatz. Mit dem Zwischenergebnis war der Auftraggeber so zufrieden, dass einzueins auch die grossen Details und Bildszenen im CAD-Plan ergänzen konnte. Eine ungewöhnliche und spannende Arbeit. Anschliessend mussten die digitalen Zeichnungen auf den nicht orthogonalen Raum angepasst werden. Erfahrene Handwerker und Bildhauer im sächsischen Ottendorf-Okrilla bauen die prächtige Decke nun nach und ziehen unter anderem erhaltene Stuckdecken aus der damaligen Zeit zum Vergleich heran. Eine gigantische Arbeit unter Leitung des Frankfurter Architekten Prof. Jochem Jourdan, der für den Wiederaufbau der Goldenen Waage jahrelang recherchierte. Doch der ehemalige Festsaal mit seiner besonderen Decke ist nur ein winziger Teil der grossen Restauration des geschichtsträchtigen Gebäudes aus dem 17. Jahrhundert.
Ein Museum der Baukunst – bald wieder für alle da
Abraham von Hameln liess das Haus Zur Goldenen Waage 1619 für sich und seine Familie fertigstellen. Bis zum Zweiten Weltkrieg war das Eckgebäude in der Frankfurter Altstadt eines der Vorzeigehäuser seiner Zeit und gleicht mit seinen aufwendigen architektonischen Details einem Museum der Baukunst. Als besonderer Luxus befand sich auf dem Dach des Hinterhauses das sogenannte „Belvederchen“ (siehe Bild), das den Bewohnern im Sommer ein wenig Kühlung bot. „Jedes Teil hat eine Bedeutung“, sagt Architekt Jochem Jourdan, der die wissenschaftliche und nach Regeln der Baukunst entstehende Rekonstruktion des Hauses leitet. Ein Glücksfall, dass dies überhaupt möglich ist. Machbar nur durch einige erhaltene Dokumente und überlieferte Beschreibungen in Verbindung mit moderner Handwerkskunst und digitalen Technologien. Auch Lasertechnik kommt bei der Rekonstruktion einiger charakteristischer Elemente zum Einsatz. So kann die Goldene Waage in Zukunft auch wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein. Gastronomie und zwei Museen sind geplant. Im Sommer 2018 soll das Haus fertig sein. Der Innenausbau wird noch dauern. Allein für die Montage und die Farbfassung der 37 Quadratmeter Decke sind mehrere Monate vorgesehen. Dann können die Museumsbesucher die prächtigen Ornamente der Decke besichtigen. Wow-Effekt garantiert.
Das DomRömer-Quartier, die neue Frankfurter Altstadt
Mitten im Herzen Frankfurts entsteht das DomRömer-Quartier und bringt frischen Wind in den historischen Stadtkern. Die Goldene Waage ist nur einer der neuen Anziehungspunkte. Wer jetzt schon neugierig ist, findet Informationen zum Stand der Bauvorhaben sowie tolle virtuelle Fotos, Filme und einen Stadtrundgang auf der Internetpräsenz der Dom-Römer-GmbH, die als Bauherrin das Grossprojekt in der Frankfurter Altstadt verwirklicht.